Albert Coers Pressetext zu COMING SOON

Albert Coers

COMING SOON

Vernissage mit Buchpräsentation:
Freitag, 24.09.2021, 18:00 – 21:00, Samstag, 25.09.2021, 14:00 – 18:00
Finissage: 23.10.2021, 14:00 – 18:00
Ausstellung 23.09. – 23.10.2021

Auf der Architekturbiennale in Venedig fielen Coers Schilder in einem sonst leeren Raum auf, auf denen lakonisch stand „COMING SOON“. Dieser Claim begegnet in letzter Zeit häufig, und er hat nicht zuletzt mit einer Aufbruchsstimmung zu tun, die aber pandemiebedingt noch mit Einschränkungen und Unwägbarkeiten beladen ist: Etwas wird stattfinden, aber es ist unsicher, was und wann es sein genau wird. Also ankündigen, sich aber lieber noch nicht ganz festlegen, es wird sich eh noch ändern.

In seiner ersten Einzelausstellung bei ep.contemporary zeigt Albert Coers Installationen, Objekte, Fotos und Künstlerbücher, in denen es um Zeit und ihre Manifestationen im weiteren Sinne geht. Fundstücke und Sprache spielen eine große Rolle. Aus ihrem Funktionszusammenhang genommen und transformiert, fangen die Gegenstände an, eigene Geschichten zu erzählen.

Einige Arbeiten entstanden in einem Artist-in-Residency-Aufenthalt im Künstlerdorf Schöppingen a2021, aus der – durch Corona verstärkten – Beschäftigung mit der nächsten Umgebung, mit der eigenen Person und dem eigenen Namen.

Zeit ist ein Thema in Wahlkampfslogans, die Coers von Plakaten durchgepaust hat. In Tischtennisschlägern, die Spuren jahrzehntelangen Gebrauchs tragen. Oder in einer Sammlung mehrfach gestempelte Fahrkarten, auf der sich jeder Moment des Abstempelns eingeprägt hat. In nestartig gestapelten Blättern von Abreiß-Kalendern. Scheinbar Bekanntes ergibt neue Konstellationen: Kalender, deren Produkt-Etiketten zu Umrissen von Ländern umgestaltet sind, Bücher, die als „Mängelexemplare“ abgestempelt wurden, dies aber stolz zur Schau tragen, skulptural eingepackte Haare, ein Künstlerbuch mit Zitaten, in denen der Protagonist „Albert“ heißt, Straßenschilder aus Coers’ Denkmal für die Familie Mann, in denen der Familienname mit dem Bleistift durchgerieben ist …

Und dann sind da die Vorhaben, die To-Do-Listen möglicher Projekte und Bücher. Ob die realisiert werden, oder ob vieles Idee, Listeneintrag, Ankündigung bleibt? Auf jeden Fall: COMING SOON!

Von außen sieht man zunächst den großen Schriftzug „COMING SOON“, der das östliche Schaufenster bedeckt. Die Fläche ist zusammengesetzt aus A4-Blättern und schirmt den Blick von außen ab, bis auf kleine „Fenster“. Innen ist so ein Raum mit abgedämpftem Licht geschaffen; hier sind auf Bücher und Buchprojekte (u.a. „Wer ist Albert?“, 2021) zu sehen, eine Studio – und Leseraumsituation ist hergestellt.

Drei Fotos eines Schaukastens in Curitiba/Brasilien zeigen Klebebuchstaben, die verrutscht sind und neue Kombinationen ergeben, u.a. ist „livres“ zu lesen, was auf Französisch „Bücher“ heißen würde, und „Cores“, was sich mit der Vertauschung von zwei Buchstaben auf Coers’ Namen beziehen lässt.

Im rechten Schaufenster hat Coers den Schriftzug der vorhergehenden Gruppenausstellung „Yellow Press“ abgezogen, die Buchstaben als plastische Knäuel klebengelassen. Die Namen der Teilnehmer sind entfernt, bis auf Coers’ eigenen, und die Namensbestandteile „mann“. Dies stellt einen Bezug zu Coers’ Interesse für Namen und zu seinem Projekt eines Denkmals für die Familie Mann her. Darauf verweisen auch Frottagen (Durchriebe) an der Wand innen von Schildern nach Thomas, Golo, Erika Mann benannten Straßen aus München, Zürich, Lübeck, Leverkusen.

Mit den abgezogenen Schriftzügen korrespondieren Etiketten von an Coers während seines Stipendienaufenthalts nachgesandter Post, nach Datum geordnet. Vom Brief entfernt, rollen sie sich zusammen. Name und Adresse von Albert Coers ist jeweils zu lesen.

Aufgerollt sind auch Wahlslogans, abgepaust auf Back- und Transparentpapier, an Wand und Decke gehängt. Coers hat ein subjektives Archiv von Slogans der Bundestagswahlkämpfe 2008-2021 angelegt, ergänzt und kombiniert die Versatzstücke neu, aus Anlass der Bundestagswahl 2021. Eine Papierrolle, aus der „Wachstum“ ausgeschnitten ist (ursprünglich als Schablone zum Sprayen auf Plakate verwendet) ist als Objekt präsentiert. Die Buchstaben lassen sich neu kombinieren, etwa zu „Wut“ und „Scham“, starken Emotionen, die mit dem Ausgangsbegriff und der Kühle des Objekts kontrastieren.

An der linken Wand sind Mängelexemplare aus dem Besitz des Künstlers präsentiert, so auf Buchstützen, dass ihr Schnitt nach vorn zum Betrachter zeigt. „Mängelexemplar“ spielt weiter an auf die These vom Mensch (engl. „man“, siehe auch „Mann“) als „Mängelwesen“, der gerade durch seine Defizite zur Entwicklung herausgefordert ist. Gleichzeitig bieten einen Querschnitt durch die Bibliothek von Albert Coers und lassen Rückschlüsse auf seine Buchkäufe zu.

Haare von einem Friseurbesuch in Berlin-Moabit wurden auf Coers’ Bitte hin, sie mitnehmen zu können, vom Friseur skulptural verpackt, einmal in ein lokales Anzeigenblatt mit arabischem Text, einmal in Alufolie.

Ein großformatiges Foto, mit dem Zitat „Wer ist Albert?“ (aus Goethes Werther) in der Dusche seines Schöppinger Studios installiert, stellt die Verbindung mit Albert Coers’ Recherche nach seinem Vornamen in Texten her.

Ein noch verpackter Tages-Abreißkalender „Unser täglich Brot“, 2013, wurde von B. Coers, Vater von A.C., mit „ALBERT“ beschriftet. A.C. stellt dieses als Geschenk gedachte Objekt in den Kontext des Namensthemas und der Reflexion über Manifestationen von Zeit.

Auf das Thema „Zeit“ Bezug nimmt auch eine nestartige, in einer Wandnische platzierte Installation von Kalenderblättern (1999/2000), aus dem Elternhaus von A.C., ebenso wie eine Serie von schwarzen Buch- und Taschenkalender von 2021, gekauft beim Discounter TEDi. A.C. hat die Produktetiketten zu den Umrissen der Länder gekratzt, die auf dem Etikett genannt sind, auch China und Indien, wo die Kalender produziert wurden. Sie sind nach Ländernamen geordnet.

Auf Zeitverläufe verweisen mehrfach gestempelte Fahrscheine der BVG. Durch Überlagerungen der Stempel sind die Informationen jedoch größtenteils unlesbar geworden, sie werden zu autonomen Grafiken.

Zwei Schläger aus dem Aufenthalt in Schöppingen mit Gebrauchspuren, in denen sich wiederum Zeit manifestiert, schließen die Abfolge von Arbeiten und die Räume ab.
Zur Ausstellung erscheint als Edition ein Heft mit Texten zum Thema „Tischtennis“, von Rudi Beutinger, Albert Coers, Sandra Rosas, Crauss., Ksenya Kumm, Carsten Lisecki, Cornelia Hülmbauer und Asja Schubert als eigenständige Preview zum Buch „Schöppinger Schläger“ (Salon Verlag), das 2021 erscheinen wird. COMING SOON.